George Gittoes – Descendence

George Gittoes, Grenzgänger zwischen Kunst und Reportage, konfrontiert in seiner Malerei mit unbequemen Wahrheiten und sprechenden Darstellungen. Die Galerie Duflon Racz zeigt den künstlerischen Einzelgänger aus Australien erstmals in einer Schweizer Einzelschau.

George Gittoes ist unbequem. Seine Bilder führen den Betrachter in eine Welt des Schreckens. In farbmächtigen Ölgemälden gestaltet Gittoes den Wahnsinn von Krieg, Fanatismus, Gewalt. Seine Radierungen führen in alptraumdunkle Abgründe, die die Erfahrung von Schmerz, Angst und Verstörung spiegeln.

«Ein Künstler kann dir zeigen, wie es sich anfühlt dort zu sein.»

George Gittoes ist ein ungewöhnlicher Grenzgänger zwischen Kunst und Reportage. Sein Arbeitsfeld ist die internationale Landkarte von Leid und Gewalt. Als Foto- und Filmreporter ist der Australier in den Kriegs- und Terrorgebieten der Welt unterwegs. Er war unter anderem in Afghanistan, Gaza, Tschetschenien, Ruanda, Somalia, Bosnien, Südafrika. Er reist mit Friedenskorps oder Nichtregierungsorganisationen in verwüstete Regionen.

«Es gibt Erfahrungen, die für eine normale Person nicht zu verarbeiten sind.»

Gittoes filmt und fotografiert in den grossen Konfliktherden der Welt das Grauen von Krieg und Gewalt. Und er führt Tagebücher, aus deren Notaten und Zeichnungen später, abseits der Kampfgebiete, Bilder entstehen, die weit über technisch abnehmbare Bilder hinausgehen. Der Medienkenner Gittoes weiss, dass unsere bildmüde gewordene Gesellschaft nur noch schwer mit Abbildern des Krieges, von Toten und Ruinen, zu beeindrucken ist. Gittoes Gemälde zeigen nicht nur äussere Wunden, sie gehen tiefer, sie sprechen gleichsam aus dem Innern der Verwundeten, der Opfer auf allen Seiten, dem Leid, Hass, Schmerz und der Angst die der Krieg in den Seelen und Körpern entfacht. Gittoes fängt die gestaltlose Bedrückung von Traumatisierungen ein, indem er subjektive Eindrücke alptraumartig verdichtet.

«Malerei kann etwas, was Film und Foto nicht können.»

Auf seinen grossformatigen Ölbildern drängen sich Körper und Wunden, Waffen und Insignien religiöser und politischer Haltungen, gemalt mit expressiver Kraft. Im grausigen Gewimmel dieser Bilder ist auch die schier unauflösbare Verzahnung von religiösem und weltanschaulichem Fanatismus, politischen und wirtschaftlichen Interessen angelegt. Leiser, verhaltener wirken seine Radierungen, die dunklen Traumbildern gleichen. In «The Spider» etwas lässt er eine dämonische Spinne, die aus den Gliedmassen verschiedener Menschen zusammengesetzt scheint, über das Papier kriechen. Gittoes, der souverän zwischen Kunst und Reportage pendelt, beherrscht auch in der Malerei verschiedene «Sprachen», er kann leise und eindringlich flüstern und schmerzhaft laut schreien. Gittoes’ Bilder stellen in der viel beschrienen Bilderflut eine Ausnahme dar: sie lassen sich nicht einfach wieder aus dem Kopf zappen. Sie bleiben.

«Malerei kann auch heute über aktuelle politische Themen sprechen.»

In seiner radikalen Subjektivität folgt er dem Gestus der Moderne. Als Pendler zwischen hoher Kunst und der Popkultur der Medien weist er sich als Meister postmodernen Denkens aus. George Gittoes bedient sich der unterschiedlichen «Sprachen» und Medien, um von möglichst vielen Menschen gehört zu werden. 1969 kam er aus Sydney nach New York. Der namhafte Kritiker Clement Greenberg hatte den viel versprechenden jungen Abstrakten aus Australien eingeladen. Doch die Zeitläufe, die Ermordung J.F. Kennedys und Martin Luther Kings, weckten Gittoes politisches Bewusstsein. Radikal änderte er seinen Stil. Und er begann zu fotografieren und zu filmen. Denn er hat schnell begriffen, dass er in Galerien und Museen nur ein kleines, etabliertes Publikum erreichen kann.

Heute werden seine Fotografien in zahlreichen Zeitschriften abgedruckt. Seine Reportagen laufen auf CNN und Sky-TV. Michael Moore verwendete in seinem Film «Fahrenheit 9/11» Material von Gittoes.

Die Galerie Duflon Racz zeigt erstmals in der Schweiz eine Ausstellung mit Arbeiten von George Gittoes. Die Arbeiten in «Descendence» entstand nach Eindrücken aus Pakistan und Afghanistan. Sie sind als Teil einer Ausstellung vorgesehen, welche ab Januar 2011, im Station Museum of Contemporary Art in Huston, Texas zu sehen sein wird und anschliessend durch alle wichtigen Kunsthäuser der USA tourt.