Haus am Gern
«Datscha»
20. August – 24. September 2016
Vernissage: Freitag 19. August, 18h
Finissage: Samstag 24. September.
17h: Künstlergespräch zwischen Haus am Gern und Franz Krähenbühl.
Anschliessend Apéro und Konzert von HOTCHA (Biel).
Lieber Paul
Du hättest nicht herkommen sollen. Zugegeben, jener Abend auf der Datscha hatte schon ungut begonnen, aber bis zu Deinem unangekündigten Besuch vermochten Wein und aufziehende Dunkelheit unser beider Ärger und Enttäuschung zu dämpfen. Dass Du das Gespräch dann ausgerechnet auf dieses Thema zurückbringen würdest, entbehrt nicht einer gewissen ironischen Logik, denn warst nicht Du es, der uns die Einladung der Galerie zugesteckt hatte mit der reichlich provokanten Bemerkung, der Besuch dieser Ausstellung würde unserer Beziehung neuen Drive verleihen? Wir jedenfalls sind hingegangen bei Gelegenheit, eher aus Neugier im Bezug auf Deine Bemerkung denn aus wahrem Interesse.
Und nun wiederhole ich mich: allein die Erinnerung an diese Ausstellung treibt mir die Galle hoch, was für ein Geschwurbel! Gleich im ersten Raum eine Art abstrakter Sankt Sebastian aus alten Autoreifen gefertigt, flankiert von einer redseligen Galeristin ganz in Weiss, die – aus «Der Tod in Venedig» zitierend – keinen Geringeren als Thomas Mann zur Erklärung der «homoerotischen Aspekte» dieser Skulptur bemühte, um gleich danach Yukio Mishima’s «Geständnis einer Maske» aus der Tasche zu ziehen, gefolgt von vielsagenden Hinweisen auf den Film «Sebastiane», für den Derek Jarman 1976 auf Sardinien einen ganzen Pulk nackter Männer vor die Kamera geholt hatte. Zudem – die Dame verwies auf die Tapete hinter uns, die einen übergrossen nackten Herkules im Kampf mit einem Löwen darstellte – könne dies als Sinnbild für die Unsicherheit des Mannes in Bezug auf sein eigenes Geschlecht gelesen werden und spiegle
zudem kongenial die Materialität der eindeutig männlich konnotierten Autoreifen des
heiligen Sebastians. Damit, meinte die Dame, sei der Rahmen in etwa abgesteckt, durch
den die Skulptur zu betrachten sei. Im nächsten Raum gab’s dann als Zugabe eine Reihe Bilder: etliche Landschaften, viel Sand, sowie einige Fotos von Pissspuren im Schnee; «Zeichnungen», verbesserte die Galeristin, worauf wir unsere anerzogene Höflichkeit ablegten und wutschnaubend den Ort verliessen, nicht ohne vorher unserem Ärger im Gästebuch der Galerie Luft zu verschaffen.
Du musst das gelesen haben, Paul, da bin ich mir ganz sicher, sonst hättest Du auf deinem Besuch bei uns auf der Datscha nicht so treffsicher argumentieren können. Das war – gelinde gesagt – beschämend für uns, wir kamen uns vor wie dumme Schulkinder. Am nächsten Tag sind wir zurück in die Galerie gefahren und haben den Sankt Sebastian gekauft. Er steht nun in der Datscha. Du musst unbedingt vorbeikommen!
Dein Trmasan
«Datscha» ist die vierte Ausstellung des Künstlerpaars Haus am Gern in der Galerie DuflonRacz – nach u.a. Böse Town (2012) und Show Us, Buy Us, Sell Us (2009). Haus am Gern ist ein Unternehmen nach allen Regeln der Kunst. Die Künstler Rudolf Steiner (*1964) und Barbara Meyer Cesta (*1959) leben und arbeiten in Biel/Bienne und Rondchâtel BE. Seit 1997 arbeiten sie an gemeinsamen Projekten unter dem Label «Haus am Gern».