Christina Niederberger – New Age Modernism


15. August – 20. September 2015
Vernissage: Freitag 14. August ab 18h

Auf den ersten Blick erscheinen ‘New Age’ und die ‘Moderne’ wie zwei unvereinbare Glaubenssysteme. New Age ist eng an die Gegenkultur der Hippie Generation in den 60er und 70er Jahren gekoppelt. Die Wurzeln dieser Bewegung, die meist mit westlicher Esoterik und Okkultismus assoziiert werden, finden sich in den mystischen Schriften von Madame Blavatsky, Gründerin der Theosophischen Gesellschaft. Die Moderne hingegen diskreditiert das Übernatürliche und strebt die Veränderung traditioneller Werte und Glaubenssätze durch einen bewussten Bruch mit der Vergangenheit an. Das Wesen der Moderne, so der einflussreiche Kulturkritiker Clement Greenberg, zeichnet sich durch die Zurückweisung traditioneller, gesellschaftlich akzeptierter Formen der Darstellung aus, und betont stattdessen formale Prozesse, Materialien und Eigenschaften. Für Greenberg zeigt sich dieses rationale und lineare Streben nach ‘rein visueller Präsenz’ exemplarisch in den Werken von Picasso, Braque, Kandinsky, Pollock, Brancusi und Mondrian. Allerdings fanden viele der genannten Künstler im Gegensatz zur konventionellen Geschichtsschreibung und zur Doktrin Greenbergs über Madame Blavatskys ‘Geheimlehre’ zu ihrer abstrakten Bildsprache.

In ihrer zweiten Ausstellung bei DuflonRacz erweitert Christina Niederberger ihre Auseinandersetzung mit den formalen Strategien der Malerei der Moderne, indem sie zeitgenössische Referenzen, New Age Motive und eine feminine Perspektive einfliessen lässt. Spielerisch unterwandern ihre Werke charakteristische formale Elemente und stilistische Mittel, die als Schlüsselmomente der Moderne gelten. Der Betrachter wird mit einer überbordenden ‚Beliebigkeit’ konfrontiert, die an Vergangenes erinnert und gleichzeitig zukünftige Möglichkeiten der Malerei aufzeigt.

Niederbergers Hommage an die Meister der Moderne ist von dem Bewusstsein geprägt, dass deren innovativen Strategien aus dem Blickwinkel der Gegenwart anders erscheinen. Was einmal als ’modern’ galt kann nicht mehr so wahrgenommen werden wenn man davon ausgeht, dass sich der soziale Kontext der Kunstbetrachtung sowie unsere Wahrnehmungsdispositive ständig verändern.

Die Künstlerin setzt Spitze und Stickmuster ein, deren Konnotationen den überhöhten Idealen der Moderne zuwider laufen. Diese werden mit dem Häuslichen wie auch   vordergründig Dekorativen assoziiert und aus diesen Gründen üblicherweise dem Kunsthandwerk statt der freien Kunst zugeordnet. Einige von Niederbergers neueren Arbeiten erinnern an Tapisserien und damit an die Tradition des Bauhaus, welche die Auflösung der Grenze zwischen Kunst und Kunsthandwerk anstrebte, aber die Trennung des Mannes als Künstler und der Frau als Gestalterin dennoch weitgehend aufrechterhielt.

Auffallend ist, dass die von Niederberger zitierten Künstler alle Männer sind. Die Bildzitate werden nicht nur von einer Frau ausgeführt, ihre Malerei enthält darüber hinaus auch Referenzen auf Materialien, die von Frauen hergestellt und getragen werden um ihre Weiblichkeit zu betonen. In diesem Sinne nähert sich Niederberger einer fragilen Grenzziehung: Sie zelebriert eine maskuline Formensprache, bezieht aber gleichzeitig eine feminine Weichheit ein, die sich sowohl im kritischen Diskurs der Gender Politik als auch in Bezug auf die intellektuelle Dialektik der modernen Malerei behauptet. Aus diesem scheinbaren Widerspruch ergibt sich eine holistische, integrative künstlerische Haltung die herausfordert, ohne zu isolieren.

Christina Niederberger wurde in der Schweiz geboren und lebt und arbeitet in London. 2002 schloss sie den MA in Fine Art am Goldsmiths ab, wobei sie mit dem Warden’s Purchase Prize ausgezeichnet wurde. 2009 erhielt sie ihren PhD am Goldsmiths College. Ihre schriftliche Doktorarbeit befasste sich mit dem Thema The Quest for Heimat: discourses on kitsch in the realm of art practice. Sie wurde in England mehrfach mit staatlichen Forschungsstipendien unterstützt und wurde 2014 in die Shortlist für 100 Painters of Tomorrow aufgenommen. Zahlreiche Ausstellungen ihrer Arbeiten fanden in den letzten Jahren in der Schweiz, in London, Deutschland und den USA statt, darunter in öffentlichen Institutionen wie der Royal Academy in London, dem Kunstmuseum Thun, der Kunsthalle Bern und der Villa Grisebach in Berlin. Ihre Arbeiten sind in diversen öffentlichen Sammlungen vertreten, darunter die British Government Art Collection, Goldsmiths Collection, Sammlung Medien und Kommunikation Bern, Inselspital Bern und die Hoffmann-La-Roche Collection, sowie in privaten Sammlungen in Grossbritannien, den USA, der Schweiz und Kanada.

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